Wieso brauchen wir ein Lieferkettengesetz?

Am 09. Mai war Tag des Fairen Handels und Weltladen-Tag. Zu diesem Anlass machte die gesamte Fairhandelsbewegung mit Aktionen in ganz Deutschland auf ein Anliegen aufmerksam, das längst überfällig ist: ein Gesetz, das Unternehmen verpflichtet, Arbeits- und Menschenrechte weltweit einzuhalten.

Die Auswirkungen der Corona-Krise zeigen wieder deutlich, dass ProduzentInnen und ArbeiterInnen am Anfang der globalen Lieferketten besser geschützt werden müssen. Aufgrund von Ausgangsbeschränkungen, Einkommenseinbußen und fehlender finanzieller Absicherung leiden diese Menschen ganz besonders an der weltweiten Pandemie. So nutzen zum Beispiel angesichts der gesunkenen Nachfrage nach Textilprodukten eine Reihe von Marken und Einzelhändlern ihre Macht gegenüber Lieferanten und ArbeitnehmerInnen in der globalen Bekleidungsindustrie aus, indem sie Warenbestellungen stornieren - auch solche, die sich bereits in Produktion befinden -, Zahlungsfristen verzögern oder Rabatte fordern. Es kommt zu Fabrikschließungen und fehlenden Lohnfortzahlungen oder Einschränkungen von Gewerkschaften in der asiatischen Textilbranche. Menschen, die ohnehin unter prekären Bedingungen leben und arbeiten, stehen plötzlich vor dem Nichts.

Die vielfältigen Folgen der Corona-Pandemie legen die Fehlentwicklungen im globalen Wirtschaftssystem offen: Die intransparenten Lieferketten, die sich auf der Suche nach billigen Produkten um den Globus gebildet haben, sind nicht krisenfest und weder sozial noch ökologisch nachhaltig. Viele Unternehmen kennen ihre Lieferketten nicht im Detail und können daher auch nicht die daraus resultierenden Risiken überblicken. Im Zuge der Krise werden sie dazu gezwungen, ihre Lieferketten umzustellen, um drohende Lieferengpässe zu verhindern.

Dabei bietet die aktuelle Situation auch die Chance, um die Rahmenbedingungen für den Aufbau widerstandsfähiger und fairer Lieferketten zu schaffen. Ein verbindliches Lieferkettengesetz wäre hierfür ein erster Schritt. Seit 50 Jahren zeigt die Fairhandelsbewegung, dass es möglich ist, Menschenrechte entlang globaler Lieferketten zu achten. Von daher ist es jetzt an der Zeit, einheitliche Regeln für alle Unternehmen festzuschreiben. Unternehmen, die Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden entlang ihrer Lieferkette billigend in Kauf nehmen, müssen dafür haften.

Im Februar 2020 hat die Initiative Lieferkettengesetz ein Rechtsgutachten veröffentlicht, das die notwendigen Anforderungen erläutert. Es zeigt, dass ein Lieferkettengesetz in Deutschland machbar ist – für Unternehmen genauso wie für den Gesetzgeber. So ist zum Beipiel der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips. Ein Lieferkettengesetz kann Unternehmen daher nicht zu Maßnahmen verpflichten, die unverhältnismäßig oder unangemessen wären. Entsprechend der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (2011) misst sich die Angemessenheit daran, wie schwer die drohenden Menschenrechtsverletzungen sind, welchen Umfang sie haben und wie viele Menschen betroffen wären, sowie nach der Größe und dem Kontext der Geschäftstätigkeit des Unternehmens und welchen Einfluss das Unternehmen darauf hat. Das heißt, Unternehmen müssen verpflichtet werden, solche Maßnahmen zu ergreifen, die vor allem schwerwiegende und systematische Rechtsverletzungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten verhindern oder verhindern können. Je größer das Risiko systematischer Rechtsverletzungen (wie zum Beispiel moderne Sklaverei oder Kinderarbeit, permanente Arbeitsunfälle, andauernde Unterdrückung von Gewerkschaftsrechten oder regelmäßige Gewässerverschmutzung) und je direkter der Bezug  zum Zulieferer, desto mehr muss sich das Unternehmen einsetzen, um Schäden abzuwenden.

Wieso brauchen wir ein Lieferkettengesetz?

  • Bisher übernehmen nur wenige deutsche Firmen freiwillig die Verantwortung für die Einhaltung der Menschen- und Arbeitsrechte entlang globaler Lieferketten.
  • Sie können nicht haftbar gemacht werden, wenn Schäden für Mensch oder Umwelt entstehen.
  • Der Faire Handel zeigt: Globaler Handel mit Verantwortung ist möglich. Er darf aber nicht die Ausnahme bleiben!
  • Alle Unternehmen sollen verpflichtet werden, Menschenrechte und Umweltstandards einzuhalten.
  • Die Missachtung darf nicht länger ein Wettbewerbsvorteil sein.
  • Darum fordert die Initiative Lieferkettengesetz einen gesetzlichen Rahmen zur Unternehmensverantwortung in Deutschland.

Quellen:

Anforderungen an ein wirksames Lieferkettengesetz (Initiative Lieferkettengesetz, Februar 2020, online unter https://lieferkettengesetz.de/wp-content/uploads/2019/09/Anforderungen-an-ein-wirksames-Lieferkettengesetz_Februar-2020.pdf)

Jetzt erst recht: Lieferkettengesetz dringender denn je. Erklärung zum Internationalen Tag des Fairen Handels/Weltladentag  am 9. Mai (Pressemitteilung von Forum Fairer Handel e.V. Und Weltladen Dachverband e.V.,  Mai 2020, online unter https://www.weltladen.de/politik-veraendern/weltladentag/aktuelle-kampagne/)

Autor*in:
Julian Schroeder
Datum:
3.6.2020

Das könnte sie auch interessieren:

Sklaverei gibt es noch?! Zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember

Am 10. Dezember 1948 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Sie sind seit 1966 universal und global rechtsverbindlich. Beinahe 70 Jahre später sind wir jedoch immer noch weit davon entfernt, die 30 Menschenrechte umgesetzt zu haben.

Fairer Hedonismus: Weine vom Weingut Koopmanskloof aus Südafrika

Der Pinotage Rosé (13.0 % vol) ist ein halbtrockener Rosèwein aus Südafrika, produziert und abgefüllt durch Koopmanskloof Wingerde. Im Glas riecht er aromatisch nach Erdbeeren und roten Früchten. Er sehr passt gut zur leichten Küche, Vorspeisen und Salate. Generell ist es der ideale Sommerwein zum Picknick, auf Balkon oder Terrasse und für lange Abende draußen; auch als Schorle, denn wer eine gute Schorle möchte, braucht einen guten Wein! Ideale Trinktemperatur: 7- 9 Grad.

Produkt des Monats September 2021: Smoothies von den Philippinen

Einsatz für Kinderrechte PREDA (People’s Recovery, Empowerment and Development Assistance) ist Anlaufstelle und Therapiezentrum für sexuell missbrauchte sowie ehemalig inhaftierte Kinder und setzt sich seit 1974 auf den Philippinen für Kinderrechte ein. Die erfolgreiche internationale Menschenrechts- und Kampagnenarbeit von PREDA findet seit Jahrzehnten weltweit große Beachtung. Von den 500 festangestellten Mitarbeitern dieser Produzentengruppen sind fast 70% Frauen. Die Tätigkeiten der Produzenten reichen von Anbau über Verarbeitung bis hin zu einfachen Arbeiten für Ungelernte.